Stollen „Blauer Löw“ im Höllental

Ein paar Schritte abseits des Wanderwegs, verborgen im Dickicht und umgeben von der Ruhe der Natur, liegt der Stollen „Blauer Löw“.

Ein Schacht zwischen Geschichte und Geheimnis

Stollen "Blauer Löw" im Höllental
Stollen „Blauer Löw“ im Höllental

Kaum sichtbar schmiegt sich sein Eingang an den Felsen – ein Tor in die Tiefen der Erdgeschichte, das mit seinen knapp 35 Metern Länge eine stille Geschichte erzählt. Wer den Mut hat, die Dunkelheit zu betreten, wird schnell von der Faszination dieser unterirdischen Welt gefangen genommen. Doch Vorsicht: Nach etwa 25 Metern endet die Entdeckungsreise abrupt, denn die letzten Meter stehen unbarmherzig unter Wasser.

Roteisenerz und die Geheimnisse der Tiefe

Gleich hinter dem Eingang begrüßt dich ein Schauspiel der geologischen Vergangenheit. Auf beiden Seiten des Stollens blitzt das Roteisenerzlager hervor, ein Überbleibsel vulkanischer Aktivität aus längst vergangenen Zeiten. Man muss sich vorstellen: Vor etwa 360 bis 385 Millionen Jahren – damals war das Oberdevon noch in vollem Gange – tobten hier heiße, metallhaltige Lösungen am Meeresgrund. Das Eisen fand seinen Weg und setzte sich im sauerstoffreichen Wasser ab, wie ein Maler, der mit breiten Pinselstrichen ein Meisterwerk hinterlässt. Die roten Adern im Gestein erzählen diese uralte Geschichte, die von Hitze, Druck und der Geduld der Natur geprägt ist.

Weiße Quarzgänge – der Kontrast im Dunkel

Neben dem Eisen tanzen weiße Quarzgänge durch das Gestein, ein eleganter Kontrast, der fast wie eine zufällige Laune der Natur wirkt. Diese kristallinen Strukturen verleihen der düsteren Umgebung eine fast poetische Anmutung. Es ist, als hätte die Erde einen Hauch von Schnee in die Dunkelheit gehaucht, eine Erinnerung daran, dass Schönheit oft in den unerwartetsten Orten lauert.

Ein Zeitsprung ins Oberdevon

Früher glaubten Geologen, das Oberdevon sei vor etwa 345 bis 360 Millionen Jahren gewesen – ein Zeitraum, der bereits die Fantasie beflügeln konnte. Doch neueste Forschungen haben diesen Abschnitt der Erdgeschichte noch weiter zurückgeschoben, auf schwindelerregende 360 bis 385 Millionen Jahre. Es ist eine Erinnerung daran, wie jung wir Menschen im Vergleich zu den Geheimnissen der Erde sind. Der Stollen ist nicht nur eine Wanderpause, sondern ein Portal zu einer Ära, in der die Welt noch ein unerkanntes Experimentierfeld der Natur war.

Lebendiges Leben in toter Stille

So still der Stollen auch wirkt, er ist keineswegs leer. Schaut man genauer hin – vielleicht mit einer Taschenlampe bewaffnet –, begegnen einem weiße, durchscheinende Spinnen, die hier in den Tiefen ihr Leben gefunden haben. Sie wirken wie Geister vergangener Zeiten, scheu und dennoch unbeeindruckt von der Neugier der Besucher. Im Winter verwandelt sich der „Blauer Löw“ dann endgültig in eine surreale Welt: Frostige Temperaturen zaubern bizarre Eisformationen, die wie filigrane Skulpturen aus einer anderen Welt wirken.

Eine Eisgrotte der besonderen Art

Bei Frost übernimmt die Natur die Rolle des Künstlers. Eisstalaktiten und glitzernde Böden verwandeln den Stollen in eine Märchenlandschaft. Es ist ein Anblick, der sowohl ehrfürchtig als auch ein wenig unheimlich wirken kann – ein Sinnbild dafür, wie Natur und Zeit Hand in Hand ein unvergleichliches Kunstwerk erschaffen können.

Der „Blaue Löw“: Ein Ort voller Poesie und Widersprüche

Der Stollen ist mehr als ein geologisches Relikt. Er erzählt Geschichten von Hitze und Kälte, von Leben und Stillstand, von der Unermesslichkeit der Zeit und der Flüchtigkeit des Augenblicks. Wer ihn besucht, tritt in eine Welt ein, die fernab unserer hektischen Gegenwart liegt und dennoch voller Dynamik steckt.

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Autor: Höllgi

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