Der Röhrensteig – ein sanfter, ebener Weg, der an den Ufern der Selbitz entlangführt – bietet uns eine charmante Wanderung, gesäumt von den Schönheiten eines urwüchsigen Naturschutzgebietes.
Wanderung entlang der Selbitz – Ein Naturerlebnis auf dem Röhrensteig
Ein Pfad durch die Geschichte und Natur des Selbitztals
Die Landschaft offenbart hier einen Mikrokosmos aus Flora, Fauna und historischen Strukturen, die so faszinierend wirken, dass man beinahe das Rascheln der Blätter als leisem Applaus für die Jahrtausende der Naturentwicklung hören könnte.
Auf den Röhren des Wassers – Eine Reise in die Vergangenheit
Diese Wanderung verspricht nicht nur Naturgenuss, sondern auch eine Spurensuche nach vergangenen Zeiten. Auf den mächtigen Röhren, die das Wasser der Selbitz einmal zur Holzschleiferei und zum Kraftwerk leiteten, kann man ein Stück lokaler Industriegeschichte erleben. Über 1,6 Meter hoch und fast zwei Kilometer lang, strömte das Wasser in diesen Röhren sanft dem Wasserturm entgegen, um dann seine Energie an die Turbinen des Kraftwerks weiterzugeben. Und wie könnte man sich dieser Mischung aus Natur und Technik entziehen? Die Oberfläche der Röhren ist hier und da sichtbar und verleiht der Szenerie einen fast geheimnisvollen Charme. Der Röhrensteig selbst wurde erst 2006 nach umfassenden Renovierungen wieder der Öffentlichkeit zugänglich gemacht, sodass man heute mit sicherem Schritt durch die Geschichte wandern kann.
Der Hirsch-Blick – Ein Denkmal der Flucht und Freiheit
Schon bald erreichen wir den Hirsch-Blick, eine Stelle, die Geschichten von Leben und Tod in der Wildnis erzählt. Ein majestätischer Hirsch scheint hier zum Sprung in die Tiefe anzusetzen, gefangen im ewigen Moment des Entkommens. Dieser Ort erinnert an die Legenden der Region, in denen die Hirsche, verfolgt von Jägern, sich kopfüber von den Felsen stürzten – ein letzter, mutiger Sprung in die Freiheit, um dem Kugelhagel zu entkommen. Man könnte fast sagen, dass dieser Hirsch nicht nur die Wildheit der Natur symbolisiert, sondern auch die Urkraft des Selbitztals selbst, das stets unbezähmbar und frei geblieben ist.
Vom Jungfernsteg zum Kraftwerk – Ein architektonisches Zwischenspiel
Weiter geht es zum Kraftwerk, das ursprünglich als Holzschleiferei diente und 1885/86 von Anton Wiede erbaut wurde. In einem Hauch von Schweizer Charme erhebt sich das Wohnhaus mit Betriebsgebäude gegenüber, und an Sonntagen schießt eine Fontäne in die Höhe, die den Besuchern ein Lächeln entlockt. Die Architektur spricht von einer Ära, in der industrielle Bauten noch im Einklang mit der Landschaft standen und die Natur respektierten.
Kurz danach fällt der Blick auf die dreibogige Brücke der Höllentalbahn, ein weiteres Beispiel für den harmonischen Einklang von Mensch und Natur. Die Selbitz begleitet uns mit ihrem ewigen Rauschen, während wir uns durch ein Tal bewegen, das sich tief in die Felsen gefräst hat, als wolle es die Geheimnisse der Erdgeschichte in die Steine meißeln.
Die Hubertusquelle und die Zeichen der Zeit
Auf unserem Weg durch das Tal passieren wir auch die ehemalige Hubertusquelle. Heute zeugt nur noch das rostbraune Gestein nahe einer Schutzhütte von diesem einst sprudelnden Quell, der sich in die Selbitz ergoss. Die Infotafeln entlang des Erlebnispfades laden zu einer kurzen Rast ein und bieten Einblicke in die geologische und biologische Vielfalt des Selbitztals – ein Moment des Innehaltens, der das rasche Vorbeiziehen der Zeit spürbar macht.
Auf den Spuren des Unfassbaren – Die Teufelsbrücke und der Hauch des Okkulten
Gegen Ende des Schattentals erwartet uns ein Ort, der die Grenzen der Realität zu überschreiten scheint. Hier soll einst ein Fuhrmann dem Teufel höchstpersönlich begegnet sein, und seitdem tragen die umliegenden Orte klangvolle Namen wie „Teufelsbrücke“, „Teufelstreppe“ und „Höllental“. Es ist, als habe die Begegnung den Geist dieses Ortes für immer verändert, und man könnte sich fast vorstellen, dass jede steinerne Stufe und jeder Ast von der schaurigen Legende des unerschrockenen Fuhrmanns zu flüstern scheint.
Mineralquellen und alte Bahnhöfe – Die Heilkräfte der Hölle
Vorbei am Damm erreichen wir das charmante Örtchen Hölle, das mit einem kleinen Park und einer der beiden Mineralquellen lockt, die das Wasser zum Verweilen und Verkosten anbieten. Früher stand hier ein Vitriolwerk, doch heute erfrischt der Brunnen die Wanderer, als wolle er ihnen ein wenig von der Heilwirkung des Selbitztals mit auf den Weg geben. Der Ort des alten Höller Bahnhofs ist heute ein stiller Zeuge vergangener Zeiten; die Szenerie vermittelt eine fast vergessene Nostalgie, wie ein Gruß aus einer Ära, in der die Eisenbahn noch der Stolz der Region war.
Rückkehr auf den Röhrensteig – Der letzte Abschnitt der Reise
Nun geht es auf dem sorgfältig restaurierten Röhrensteig weiter, der uns in eleganten Kurven bis zum Wasserausgleichsbehälter führt. Hier ergießt sich das Wasser schließlich in einem mächtigen Bogen über die Turbinen des Kraftwerks, und wir nähern uns der historischen Holzbrücke, dem Jungfernsteg. Diese Brücke, die Anton Wiede als ersten Übergang über die Selbitz geschaffen hat, lädt uns zum Verweilen ein – ein kleiner Pavillon, der einen weiten Blick auf den Hirsch am Großen Hirschsprung freigibt, bietet einen Moment des Innehaltens und der Reflexion.
Der schattige Pfad führt uns weiter entlang des Selbitztales, durch das sanfte Rauschen der Bäume und das Plätschern des Wassers, bis wir schließlich auf einem naturbelassenen Waldweg ankommen. Dieser mündet in die Talstraße, die uns zurück nach Blechschmidtenhammer bringt. Hier erwarten uns das Infozentrum und der Friedrich-Wilhelm-Stollen – Orte, die den wissbegierigen Wanderer zu einem letzten Abstecher einladen und die Geschichte des Selbitztals in allen Facetten erlebbar machen.
Quelle/Infos: https://www.metaller.de/roehrensteig-us-11-hoellental/
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Autor: Höllger