Der „König David“ – kaum ein anderer Felsen erhebt sich mit solcher Erhabenheit über die Tiefen des Höllentals. Es ist ein Ort, an dem die Zeit still zu stehen scheint und die Natur sich in ihrer urwüchsigen Pracht offenbart.
Der König David und die Poesie des Höllentals
Im Herzen der Wildnis: Die Legende eines Felsens
Der Weg dorthin ist kein gewöhnlicher Pfad, sondern ein stilles Versprechen: eine Reise zu den verborgenen Rätseln, die diese Erde unter unseren Füßen birgt. Hier tritt man nicht nur ein in eine Landschaft, sondern in eine lebendige Legende.
Unsere Schritte beginnen im stillen Issigau, einem Dörfchen, das noch die Ruhe der alten Welt atmet. Der Blick richtet sich gen Horizont, und sogleich umfängt uns die weite Stille der Wälder, die wie eine sanfte Decke über das Land gebreitet ist. Doch je tiefer wir vordringen, desto mehr offenbart sich uns: Die Landschaft öffnet sich Stück für Stück, wie ein geheimnisvolles Buch, das darauf wartet, Seite für Seite ergründet zu werden.
Eine Natur wie aus einem Märchen: Die Steinschüttung und ihr Geheimnis
Bald öffnet sich das Bild zu einem seltenen Anblick – eine weite Steinschüttung, die sich majestätisch erhebt und in all ihrer Rauheit an das uralte Streben der Natur erinnert, die verloren gegangenen Stücke der Welt wieder zusammenzufügen. Hier, zwischen den aufgetürmten Steinen, entsteht eine stille Gemeinschaft der Tiere, ein Biotop, das wie ein gut gehütetes Geheimnis wirkt. Wer hier verweilt, spürt das Flüstern der Wildnis, die sich ein Refugium geschaffen hat, abseits des menschlichen Treibens.
Dem Ruf der Buchen folgend: Ein Weg zur Erhabenheit
Der Wald erhebt sich um uns wie ein grünes Meer, dessen Wellen aus Buchen und Eichen bestehen, ein lebendiges Mosaik, das uns tief in seinen Bann zieht. Der Boden wird weicher, die Schatten der Bäume umfangen uns, und allmählich beginnt der Aufstieg, der uns zum Gipfel führt. „Zum Hirschsprung“ – schon der Name verspricht ein Sprung in die Tiefen, ein Tanz auf der Grenze zwischen Erde und Himmel. Doch bevor wir den Höhepunkt erreichen, folgt der stille Ruf der Buchen, die auf sanften Hügeln thronen und mit jedem Ast die Stille des Waldes vertiefen.
Dann, auf 623 Metern Höhe, öffnet sich der Blick. Der „König David“, hoch über dem Tal, erhebt sich vor uns wie ein Wächter. Von hier aus entfaltet sich die Welt in ihrer ganzen Schönheit, als wäre dies der Thronsaal der Natur selbst, ein Platz, von dem aus man die Erde in ihrer sanftesten und zugleich wildesten Form erfassen kann.
Ein Monument der Wildheit: Der Hirsch auf seinem Felssporn
Im Höllental ruht ein weiteres Geheimnis – ein lebensgroßer Hirsch, der wie im Sprung gefangen scheint, bereit, sich mit einem mutigen Satz in die Unendlichkeit des Tals zu stürzen. Dieser Hirsch, aus dem Stein gehauen und doch voller Leben, ist mehr als eine bloße Statue. Er verkörpert die Wildheit des Höllentals, die Ungebundenheit und den Stolz, der in jedem Felsen, jedem Baum hier lebt. Wer sich ihm nähert, spürt den Pulsschlag der Natur und die ungezähmte Kraft, die aus der Tiefe des Tals heraufdringt.
Ein magischer Blick in die Ferne: Die Hügel des Thüringer Landes
Eine Bank lädt ein, die Beine baumeln zu lassen und den Blick weit schweifen zu lassen. Hier, inmitten der sanften Ruhe des Tals, ist der Horizont mehr als nur eine Grenze – er ist das Versprechen von Freiheit, das Thüringer Land in weiter Ferne ein Widerschein von anderen Welten. Manchmal bedarf es keiner Worte, nur der Stille, um die Schönheit dieser Landschaft ganz zu erfassen.
Das Raunen der Selbitz und das Echo der Zeit
Der Weg führt uns weiter, tiefer in die Seele des Höllentals. Hier unten, wo die Selbitz in sanftem Rauschen durch das Tal zieht, wird das Wasser zum Erzähler, das alte Geschichten flüstert und uns die Zeit vergessen lässt. Ein Brücklein spannt sich über den Fluss, als verbände es Vergangenheit und Gegenwart, und jeder Schritt hallt wie ein Echo der Jahrhunderte in der Stille der Bäume wider.
Bald zeigt sich ein Wasserturm, still und stumm wie ein Zeuge vergangener Tage, und der Röhrensteig zieht sich vor uns entlang. Diese restaurierten Röhren, Überbleibsel einer industriellen Epoche, sind mehr als bloße Infrastruktur; sie sind das Herz der Erinnerung, eine stumme Chronik, die an die einstige Höllentalbahn und die alten Wasserwege gemahnt. Es ist, als würden wir auf einem alten Pfad wandern, der in die Erde selbst gegraben wurde und noch immer das Echo jener Zeit in sich trägt.
Ein letzter Gruß der Natur: Mineralbrunnen und Obstwiesen
Nahe des Endes unserer Reise empfängt uns ein Park, wo die Mineralbrunnen sprudeln, wie eine letzte Gabe der Natur an den Wanderer. Ein Schluck dieses Wassers ist wie eine Erfrischung für die Seele, ein Gruß der Berge, der uns auf unserer Rückkehr begleitet. Noch einmal vernehmen wir das Raunen des Waldes, das Knistern der Blätter, und folgen einem Pfad, der uns durch Obstwiesen und Felder führt. Hier endet unser Weg, doch das Höllental bleibt in uns lebendig, mit all seinen Geschichten und Legenden.
Ein Abschied im Angesicht des Königs
Zurück am Ausgangspunkt, ruht unser Blick ein letztes Mal auf dem König David, dem schweigenden Wächter, der über das Höllental herrscht. Dieser Weg, den wir gegangen sind, war mehr als eine Wanderung – er war eine Reise durch die Seele der Landschaft. Die Stille des Höllentals, das Rauschen der Selbitz, der Sprung des Hirsches und das Flüstern der alten Steine – all das trägt uns heimwärts, erfüllt mit dem Wissen, dass die Natur uns stets ein wenig mehr offenbart, als wir begreifen können.
Quelle/Infos: https://www.metaller.de/rundweg-koenig-david-us-21/
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Autor: Höllger