Versteckt am Fuß des pittoresken Les Baux-de-Provence entfaltet sich das geheimnisvolle Val d’Enfer. Dieses Tal, geformt durch Jahrtausende der Wassererosion, trägt seinen furchteinflößenden Namen mit einer Art düsteren Stolz:
Das mystische Val d’Enfer – Eine Felslandschaft wie aus dem Jenseits
Eine Kulisse wie aus einem Traum oder Albtraum
Val d’Enfer, das „Tal der Hölle“. Seine kalkweißen Felsformationen wirken wie verzerrte Gestalten einer jenseitigen Welt, skulptiert aus dem Kalkstein und gezeichnet von der Zeit. So bizarr die Felsgebilde, so faszinierend ist ihr Anblick, der das Auge in einem endlosen Spiel von Licht und Schatten fesselt.
Der Zugang zum Val d’Enfer ist denkbar einfach – ein gewundener Weg entlang der Route départementale 27, der geheimnisvoll am Pavillon de la Reine Jeanne vorbeiführt. Dieser Weg markiert die Schwelle, die in ein mystisches Terrain führt, das Legenden und Erinnerungen an eine ferne Zeit atmet.
Erste Nutzung des Tals – Das Tal als Geburtsstätte einer Baukunst
Schon im 2. Jahrhundert vor Christus entdeckte man den verborgenen Wert des Val d’Enfer. Hier fanden die frühen Baumeister eine fast vergessene Welt aus Bauxit und strahlend weißem Kalkstein – Materialien, die für die Errichtung antiker Städte wie Glanum und Arles unabdingbar waren. Dieser Rohstoff, der dem nahegelegenen Dorf Les Baux-de-Provence seinen Namen verlieh, erwies sich als Fundament eines antiken Erbes.
1821 stieß man dann auf das mineralreiche Bauxit, das bald weltweit zu einem begehrten Rohstoff avancierte. Doch die Geschichte des Abbaus hier im Tal sollte nicht ewig währen. 1935 legte man die Werkzeuge zur Ruhe, verlagert von der Hoffnung auf größere Schätze in der Region. Die Felsen des Val d’Enfer blieben jedoch und sind Zeugen einer Ära, die sie geprägt und geformt hat.
Mythen und Legenden – Das Tal, wo die Schatten der Geschichten wandeln
Das Val d’Enfer mag in den Karten der Geologen verzeichnet sein, doch seine wahre Natur findet sich in den Geschichten, die hier ihren Ursprung nahmen. Hier begegnet man nicht nur Kalkstein und Bauxit, sondern auch den verborgenen Geschichten, die über Jahrhunderte hier nachhallten. So erzählt man sich, dass der provenzalische Dichter Frédéric Mistral das Tal als Kulisse für sein berühmtes Gedicht „Mirèio“ wählte – ein Werk, das mit poetischer Tiefe die Seele des Ortes einfing. Er selbst meinte, das Tal erinnere an die finsteren Abgründe, die Dante Alighieri in seiner „Göttlichen Komödie“ beschrieb – die Hölle selbst.
Und doch war das Val d’Enfer mehr als eine Quelle dichterischer Inspiration. Es wurde 1959 zur surrealen Leinwand für Jean Cocteaus Film „Das Testament des Orpheus“. Hier, zwischen den Felsen, erwachten Cocteaus Visionen zum Leben – inmitten jener verworrenen Steinskulpturen, die wie längst vergessene Geister ein düsteres Geheimnis zu hüten schienen.
Ein Tal der Kunst, Geschichte und dunkler Poesie
Das Val d’Enfer steht still, und doch scheint es stets in Bewegung – durch die Geschichten, die es bewohnen, durch die Schatten der Legenden und die Verse, die es inspiriert hat. Die Stille in diesem Tal birgt eine fast feierliche Erhabenheit, als wäre jeder Felsen eine Marmorstatue der Vergänglichkeit selbst. Wer sich auf die Reise in dieses mystische Reich wagt, wird unvermeidlich von seiner seltsamen Magie eingefangen, gefangen in einer Symphonie aus uralter Geologie und zeitloser Kunst.
Ein Spiegel der Ewigkeit in einem vergessenen Winkel der Provence
Während die Zeit an den Wänden des Val d’Enfer nagt, bleibt das Tal ein Echo jener alten Geschichten, die sich zu Mythen verdichten. Was als natürlicher Kalksteinbruch begann, wurde zum Schauplatz der Fantasie, zum Fundus für Poeten und Filmemacher, die das Tal in ihrem Werk verewigten. Hier vermischen sich Geologie und Legende, Natur und Poesie, und aus dem rauen Kalkstein erwächst eine Schönheit, die sich vor den Augen der staunenden Besucher entfaltet – wie ein verstecktes Kapitel aus der unendlichen Erzählung der Erde.
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Autor: Höllgi